Körner am Montag: Der soziale Wohnungsbau gleicht in Stuttgart einem Trauerspiel

Veröffentlicht am 10.05.2021 in Woche für Woche

Zunächst: vor einer Woche habe ich es einfach nicht geschafft, den „Körner am Montag“ zu schreiben. Home-Schooling und vier Videokonferenzen waren einfach zu viel. In dieser Woche ist in der Schule eine kurze „Projektwoche mit Zeitunglesen“ angesagt. Außerdem sind es heute nur zwei Videokonferenzen und ein Termin – so klappt es heute also wieder.

Das Ganze hat aber auch sein Gutes. Ich habe Interessantes vom vergangenen Freitag im Ausschuss für Wirtschaft und Wohnen zu berichten: der soziale Wohnungsbau ist in Stuttgart ein Trauerspiel.

Ein Rückblick: mit welchen Zielen war man angetreten?

Im Dezember 2013 hatte Fritz Kuhn sein Konzept für das Wohnen in Stuttgart vorgestellt. Jedes Jahr sollten 1.800 neue Wohnungen gebaut werden, davon 600 preiswerte, weil geförderte Wohnungen. 300 dieser Wohnungen sollten neue Sozialmietwohnungen sein. In Hamburg liegt der Zielwert übrigens bei 3.000 neuen Sozialmietwohnungen pro Jahr.

Im Sommer 2016 bekannte sich auch das Bündnis für Wohnen zum sozialen Wohnungsbau in Stuttgart. Die Wohnungsunternehmen versprachen weitere 100 Mietwohnungen im Bestand für zehn Jahre an Leute mit Wohnberechtigungsschein zu vermieten, zu einem Quadratmeterpreis, der um 10% unter der ortsüblichen Vergleichsmiete (OVM) liegt. Die Stadtverwaltung zählt diese Wohnungen auch als Sozialmietwohnung, obwohl sie das aus meiner Sicht nicht sind. Schließlich ist eine Miete von 10% unter OVM keine Sozialwohnungsmiete, sondern nochmal deutlich höher, aber das soll hier erst einmal keine Rolle spielen.

Die SWSG sagte zu, jährlich weitere 50 Sozialmietwohnungen im Bestand neu zu begründen. Eine aktuell nicht belegungs- oder mietpreisgebundene Wohnung wird so für einen Zeitraum von 15 bis 30 Jahren nur noch Leuten mit weniger Geld (also mit Wohnungsberechtigungsschein, dessen Einkommensgrenzen so liegen, dass ungefähr die Hälfte der Stuttgarter Bevölkerung einen Anspruch darauf hätte) vermietet, und das zu einer Miete, die um 33% unter der ortsüblichen Vergleichsmiete liegt (in Stuttgart hat die Stadt entschiedene, dass das generell bei 7,50 Euro bis 9,00 Euro pro qm der Fall ist).

Außerdem versprachen die Wohnungsunternehmen, laufende Sozialbindungen nicht zu kündigen und bei auslaufenden Bindungen auch über Verlängerungen nachzudenken.

Eine traurige Bilanz: Die Ziele wurden meilenweit verfehlt

Im Ausschuss für Wirtschaft und Wohnen standen am vergangenen Freitag gleich drei wohnungspolitische Vorlagen auf der Tagesordnung: der Bericht zum Wohnungsmarkt, in dem die Wohnungsbautätigkeit (Angebot), die Einwohnerentwicklung (Nachfrage) und die Preisentwicklung (Bestands- bzw. Angebotsmieten, Kaufpreise) dargestellt werden. Außerdem der Jahresbericht zum Wohnungswesen, vor allem mit Infos zur Situation bei den geförderten Wohnungen und, last, not least: eine Fortschreibung des Stuttgarter Innenentwicklungsmodells (SIM), mit dem die Stadt ihre Vorgaben für den geförderten Wohnungsbau bei neuen Bauprojekten festschreibt.

Wenn man sich die Zahlen genau anschaut, kann man erkennen, wie sehr die oben beschriebenen Ziele in den vergangenen Jahren verfehlt worden sind. Nur die SWSG hat ihre Zusagen zu 100% eingehalten und in viereinhalb Jahren 226 neue Belegungsbindungen im Wohnungsbestand etabliert, zu Sozialmietwohnungs-Mietpreisen – zugesagt waren 225. Bei den anderen Wohnungsunternehmen sieht es deutlich schlechter aus: statt der zugesagten 450 Wohnungen, bei denen im Bestand für zehn Jahre nur an Leute mit Wohnberechtigungsschein (WBS) vermietet wird, und zwar zu einem Mietpreis von 90% der OVM, waren es bis Ende 2020 nur 260.

So richtig verheerend wird die Bilanz aber erst, wenn man sich anschaut, was bei den neu gebauten Sozialmietwohnungen (nicht) stattgefunden hat. Statt der angestrebten 300 neu gebauten Sozialmietwohnungen pro Jahr sind es laut grün-schwarzer Landesregierung im Schnitt der Jahre 2015 bis 2019 gerade mal rd. 40 neue Sozialmietwohnungen in Stuttgart. Bei den städtischen Zahlen sind es für den Zeitraum von 2017 bis 2020 rd. 70 neue Sozialmietwohnungen pro Jahr, und da wird schon der freundlichste Zeitraum der vergangenen zehn Jahren gewählt. Dieses Ergebnis ist aus meiner Sicht ein echtes Trauerspiel.

Und jetzt? Was die SPD-Fraktion vorschlägt!

Nach dieser ernüchternden Bilanz der letzten Jahre kommt ein Weiter-so wohl kaum in Frage. Die Vorschläge der Verwaltung gehen aber ganz in diese Richtung. Wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten fordern eine grundlegende Kurskorrektur in der städtischen Wohnungspolitik.
 „Wir brauchen viele neue Wohnungen. Da führt kein Weg dran vorbei“, so der Ministerpräsident vor wenigen Jahren, als es um die Unterbringung von geflüchteten Menschen ging. Dieser Satz ist heute mehr richtig denn je. In 2019 wurden in Stuttgart nur knapp 1.500 neue Wohnungen errichtet, 500 davon nur Ersatzneubau. Im Vergleich zu anderen Städten ist das deutlich zu wenig. Zürich, Frankfurt, Düsseldorf; sie alle schaffen deutlich mehr, und das muss auch unser Anspruch sein!
Wer sich die SIM-Bilanz genau anschaut, muss erkennen, dass private Grundstückseigentümer nach wie vor nichts, aber auch gar nichts mit dem sozialen Mietwohnungsbau am Hut haben wollen. Diesem sozialpolitischen Skandal ist nur mit Hilfe der Stadt und mit Hilfe der Wohnungsbaugenossenschaften beizukommen. Also: bei größeren privaten Bauvorhaben wie dem der EnBW, auf dem Eiermann-Areal oder auch die Pläne der ISARIA, der Tochter der Deutsche Wohnen AG, dürfen wir neue Bebauungspläne und damit die Aussicht auf hohe Spekulationsgewinne durch Bodenpreissteigerungen, erst beschließen, wenn die Grundstücke in städtischer Hand sind.
Nur so kommen wir gegen die Bodenspekulation an und können nachhaltig sicherstellen, dass auf solchen Grundstücken zu fairen Konditionen auch langfristig gewohnt, gearbeitet und gelebt werden kann. Wir brauchen auch neue Förderprogramme, einen neuen Grundsatzbeschluss zur Bodenpolitik und ein Programm zur Stärkung von alten und neuen Genossenschaften, um gutes Wohnen auch strukturell ermöglichen. So viel in aller Kürze – in Bälde gibt es dazu mehr. Unsere aktuellen Anträge zu dem Thema findet unter https://www.spd-rathaus-stuttgart.de/unsere-antraege-im-stuttgarter-gemeinderat/

 
 

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