Erklärung der Kreiskonferenz der SPD Stuttgart zur Kommunalwahl 2009

Veröffentlicht am 16.06.2009 in Kommunalpolitik

Die SPD Stuttgart hat bei den Kommunalwahlen am 7. Juni 2009 eine (folgen-)schwere Niederlage erlitten. Die Deutlichkeit der Niederlage ist zu einem Teil dem mangelnden Rückenwind durch die Europawahl geschuldet, liegt aber in erster Linie am Umgang mit dem seit Jahren alles überlagernden Projekt Stuttgart 21. Allerdings darf dies nicht darüber hinweg täuschen, dass die Probleme der SPD in urbanen Zentren gerade in Baden-Württemberg tiefer liegen; schließlich zeigen viele Großstädte eine ähnliche tief greifende Milieuverschiebung insbesondere zu Gunsten der Grünen im Land. Dies ist mittel- und langfristig die eigentliche Herausforderung für die SPD in Stuttgart.

Die SPD-Kreiskonferenz hält als erste Analyse, Positionsbestimmung und Folgemaßnahmen nach der Wahl die nachfolgenden Punkte fest. In den kommenden Monaten werden die verantwortlichen Gremien diese Punkte vertiefen und weitere Folgerungen anstellen.

1. Stuttgart 21 war ohne Zweifel das wahlentscheidende Thema

Ausschlaggebend für die Stimmenverluste war weniger die inhaltliche Positionierung der SPD zum Thema, sondern unser Fehler, wegen juristischer Bedenken die Durchführung eines Bürgerentscheids abzulehnen. Dies hat zu dem eigentlichen politischen Glaubwürdigkeitsverlust geführt, was die grundsätzliche SPD-Position auf Ausweitung direkter Demokratie betrifft. Daher werden wir eine Bürgerbefragung aktiv unterstützen und für Stuttgart 21 werben. Wir werden das Ergebnis respektieren.

Es ist der Gemeinderatsmehrheit bislang nicht gelungen, die Menschen von den großen Vorteilen und Chancen des Projekts zu überzeugen. Gleichwohl: Was wir seit 14 Jahren – untermauert durch zahlreiche Parteibeschlüsse – als inhaltlich richtig erachten, können und werden wir heute nicht als falsch bewerten. Auch dies ist eine Frage der Glaubwürdigkeit.
Deshalb sagen wir nach wie vor: Stuttgart 21 ja – aber nicht zu jedem Preis. Bei einer Kostenexplosion, die zu einem Aufkündigen der bestehenden Verträge berechtigt, muss erneut nachgedacht und entschieden werden. Dazu müssen die Kosten erneut zeitnah überprüft werden.

Wir werden unsere kritisch-konstruktive Begleitung des Projektes in der Umsetzungsphase weiter intensivieren; im Hinblick auf die Baustellenlogistik, die Gestaltung des neuen Bahnhofsumfelds und des Stadtquartiers, etc. Tatsächlich hat dies die SPD bereits in der Vergangenheit getan.

Neben den eigenen Versäumnissen bleibt festzuhalten, dass sich die Deutschen Bahn, insbesondere aber Oberbürgermeister Schuster in der Vermittlung des Projekts als vollkommen unwillig bzw. unfähig erwiesen hat. Dass der OB erst jetzt nach der Wahl den SPD-Vorstoß auf Einrichtung eines Ombudsmanns aufgreift, zeigt die Absurdität der Situation. Ansonsten liegt es an den Grünen, ihr Wahlversprechen, Stuttgart 21 trotz geschlossener Verträge zu verhindern, nun auch konkret zu machen.

2. Die Milieuverschiebung hin zu den Grünen und die wachsende Zahl der Nichtwähler ist eine besondere Herausforderung für die SPD

Das Eingeständnis eigener Fehler darf nicht darüber hinweg täuschen, dass unsere „eigentliche“ Herausforderung darin besteht, der Verschiebung von Wählermilieus hin zu den Grünen entgegenzutreten. Denn tatsächlich liegen das Ergebnis der Europawahl und das Ergebnis der Gemeinderatswahl in Stuttgart gar nicht weit auseinander. Diese Problematik zeigt sich auch dadurch, dass die Grünen in nahezu allen Großstädten in Baden-Württemberg deutlich zugelegt haben. Dieser Herausforderung müssen wir uns stellen.

Wir sind gerade in Stuttgart nicht erst heute in einer Situation, in der sich beispielsweise die traditionellen Milieus der „alten“ Arbeiterbewegung auflösen und damit Mitglieder- und Wählerbindungen immer weniger vorhanden sind. Deshalb gelingt es uns nicht, diese Milieus wie früher zu mobilisieren. Dabei verschärfen sich gerade die Probleme der Arbeitnehmerschaft erheblich. Darauf müssen wir Antworten geben, die CDU und Grüne nicht geben.

Diese Diskussion können wir nur bestehen, wenn wir gerade die jungen Menschen mit einbeziehen. Hierbei kommt unseren Jusos eine Schlüsselrolle zu. Sie haben in der Vergangenheit gezeigt, dass sie bereit sind, Verantwortung zu übernehmen. Dem muss nun bei der Wahl der Mitglieder der Bezirksbeiräte Rechnung getragen werden.

3. Neue Mehrheiten nutzen!

Die Schwerpunkte im Kommunalwahlkampf – zukunftsfeste Arbeitsplätze, Wahrung der öffentlichen Daseinsvorsorge (Gründung von Stadtwerken), Chancengerechtigkeit in Bildung und Betreuung, Sicherung kommunaler sozialer Unterstützungsangebote sowie lebendige Stadtbezirke – waren richtig und werden wir offensiv weiterverfolgen.

Dazu werden wir die Chancen der neuen Mehrheitsverhältnisse konsequent nutzen. Denn die SPD ist im Hinblick auf Mehrheitsbildungen im Gemeinderat in einer strategischen und sachpolitischen Schlüsselfunktion mit eigenständigen Profilierungsmöglichkeiten.

Der konservative Block der Vergangenheit ist gebrochen. Dies bietet die Möglichkeit, bei wichtigen stadtentwicklungspolitischen und ökologischen Themen eine neue Politik durchzusetzen. Wir sind hier zur Zusammenarbeit mit den Grünen bereit.

4. Bundestagwahl: Kampf um beide Direktmandate

Die SPD Stuttgart mit ihren beiden Kandidatinnen Ute Vogt und Ute Kumpf wird bei der Bundestagwahl am 27. September 2009 geschlossen und entschlossen um die Direktmandate in beiden Wahlkreisen kämpfen.

Dabei wird es auch im Hinblick auf die generell höhere Wahlbeteiligung darauf ankommen, mit sozialdemokratischen Kernthemen die (bundespolitische) Agenda zu bestimmen.

 
 

Homepage SPD Stuttgart

Kommentare

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Erfreuliche Bewegung, aber:

"Es ist der Gemeinderatsmehrheit bislang nicht gelungen, die Menschen von den großen Vorteilen und Chancen des Projekts zu überzeugen." Hat jemand auf Befürworterseite mal darüber nachgedacht, dass die Lügen und Halbwahrheiten, wie sie z.B. auf der Seite das-neue-herz-europas.de oder in dem SPD-Papier "Argumente zu Stuttgart 21", formuliert sind, auch nicht sonderlich überzeugend sein können? Ich warte immer noch auf BELASTBARE Argumente, die dieses Projekt rechtfertigen könnten. Die Zukunft des öffentlichen Verkehrs ist es wohl nicht, wie die Argumente der Befürworter einer Sanierung des Kopfbahnhofs überzeugend darlegen. Bleibt allein der Flächengewinn in Stuttgart. Aber will die SPD dafür allein ein Alles-oder-Nichts-Projekt befürworten, dass kostenmäßig ein absolutes Himmelfahrtskommando sein wird? Wo es keinerlei Garantien gibt? Und erst recht keinen Plan B? Und der Nahverkehr in ganz BW auf Jahre leiden wird?

Autor: Helmut Fuchs, Datum: 18.06.2009, 20:03 Uhr


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