23.10.2018: Antrag zur Änderung des Landeswahlrechts
Empfänger: Landesparteitag
Antragsbegehren
Baden-Württemberg erhält ein Zwei-Stimmen-Wahlrecht mit (quotierter) Liste in Zweimandatswahlkreisen (ListePlus). Die Wahlkreise sind identisch mit den Wahlkreisen bei der Bundestagswahl anzupassen.
Konkret: Die Parteien stellen in den nunmehr 38 Wahlkreisen jeweils zwei Kandidat*innen auf, und die Wähler*innen haben je zwei Stimmen. Mit der Erststimme wählen sie eine/n Kandidatin; mit der Zweitstimme wählen sie eine Partei.
Der erste Direktsitz eines Wahlkreises geht an die Partei mit den meisten kumulierten Erststimmen, und zwar an den/diejenigen Kandidatin, der/die auf sich mehr Stimmen vereint hat. Der zweite Direktsitz geht analog an die zweitstärkste Partei, es sei denn, die stärkste Partei hat mindestens doppelt so viele Stimmen erhalten wie die zweitstärkste; dann gehen beide Direktsitze an diese Partei.
Darüber hinaus werden die zur gesetzlich vorgesehenen Größe des Parlamentes fehlenden Sitze über Landeslisten nach dem Zweitstimmenanteil verteilt. Die Verteilung erfolgt nach Regierungsbezirken derart, dass zuerst diejenigen Kandidat*innen bei der Sitzvergabe berücksichtigt werden, die in ihrem Wahlkreis kumuliert einen höheren Stimmenanteil errungen haben als ihre Partei im jeweiligen Regierungsbezirk.
Die SPD stellt in jeden Wahlkreis mindestens eine weibliche Kandidatin auf.
Begründung:
ListePlus empfiehlt sich aus emanzipatorischen, demokratischen, kulturellen und ökonomischen Gründen.
- Die Landtagswahl ist eine Persönlichkeitswahl und Frauen sind für uns wählbare Persönlichkeiten. Über das Listenverfahren gelangen mehr Frauen in den Landtag. Die Liste allein greift uns aber zu kurz. Deshalb erhalten sozialdemokratische Frauen zusätzlich zum Listenplatz einen Wahlkreis. Die Zeiten, dass Frauen nur aussichtslose Wahlkreise zugeteilt bekommen, sind damit passé. Liste plus Wahlkreis profilieren Frauen in der politischen Landschaft Baden-Württembergs!
- Bei einer Persönlichkeitswahl sind die Abgeordneten ihrem Wahlkreis verantwortlich und müssen für die Wähler*innen dort wählbar bzw. abwählbar sein. Dem wird entsprochen mit einer Aufwertung der Erststimme. Einmal durch das größere Angebot (zwei Kandidat*innen je Partei) und außerdem dadurch, dass die Erststimme im Falle ihrer Erfolglosigkeit bei der Vergabe der beiden Direktsitze nicht wertlos wird, sondern auch bei der Vergabe der Zweitsitze Berücksichtigung findet. Somit erlangt die Bevölkerung in unserer Demokratie durch ListePlus mehr Souveränität.
- Umgekehrt honoriert und motiviert ListePlus die politische Arbeit der Abgeordneten im Wahlkreis, insbesondere dann, wenn eine Partei keine Direktsitze erringt. Kantige Kandidat*innen wahren ihre Chance gegen stromlinienförmige Parteigänger*innen. Eine Kandidatur parteibetriebsferner Persönlichkeiten wird dadurch befördert. Da die Kandidat*innen sich im Tandem um den Direktsitz bewerben, liegt eine starke Mitkandidatur genauso in ihrem eigenen Interesse wie ein kooperatives Miteinander im Wahlkampf: Zwei Kandidat*innen statt Zweitkandidat*innen! Somit profitiert von ListePlus die politische Kultur in unseren Reihen – und außerhalb.
- Treten zunehmend mehr aussichtsreiche Parteien zur Wahl an, so verringert sich tendenziell der Zweitstimmenanteil aller Parteien, sodass deren Zweitstimmenanteil kaum noch dem Sitzanteil entspricht, der sich aus der Anzahl ihrer Direktsitze ergibt. Heute genügen im Grunde 30 Prozent der (Erst-)Stimmen, um sämtliche Wahlkreise zu gewinnen und damit 60 Prozent der gesetzlich vorgesehenen 120 Sitze zu besetzen. Infolge des Ausgleichs der so entstehenden Mehrsitze (Überhangmandate) sitzt derzeit jeder sechste Landtagsabgeordnete auf einem zuzähligen Ausgleichsitz. Mit ListePlus gibt es keine oder zumindest deutlich weniger Ausgleichsitze, weil in jedem Wahlkreis für die Vergabe von zwei Direktsitzen die Stimmenanteile der beiden stärksten Parteien addiert werden; d.h. im Beispiel bleibend, dass 60 Prozent der Sitze nur noch mit 30 plus X Prozent gewonnen werden können. ListePlus verschlankt – auf dem Weg der Vereinheitlichung der Wahlkreise bei Bundes- und Landtagswahlen – das Parlament und schont damit nicht zuletzt den Geldbeutel der souveränen Steuerzahler*innen.